Ein Arbeitsaufenthalt in Japan, Herbst 2012
Im Oktober/November 2012 nahm ich teil am MI-LAB mid-career
artist-in-residence Programm in Japan. Das MI-LAB, Mokuhanga Innovation Laboratory,
ist ein Programm zur Förderung des japanischen Holzschnitts in zeitgenössischer
Form. Es ist das Nachfolge-Programm des Nagasawa Art Parks, wo ich 2003 den
japanischen Holzschnitt lernte. Das mid-career program gibt internationalen
Künstlern, die schon lange mit dem japanischen Holzschnitt arbeiten, die
Chance zur Weiterbildung. Ich freute mich sehr über diese Möglichkeit
und will hier davon erzählen.
Das Programm begann in Tokyo mit u. a. einem Kurs im Schärfen
von Schneidemessern.
Der Lehrer, Herr Sekioka, ist einer der beiden letzten ausbildenden
Meisterschneider in Tokyo.
Die Residence, zu der wir dann zum Arbeiten an Holzschnitten
hinfuhren, liegt in Kawaguchiko am Fuss des Berg Fuji. Der Berg Fuji: Symbol
für Japan und speziell den japanischen Holzschnitt mit zahlreichen Drucken
nach Zeichnungen von Künstlern wie Hokusai und Hiroshige bis Hiroshi Yoshida
und anderen. Was für eine Aussicht, dort zu sein und in den Spuren dieser
Vorbilder zu wandeln. Das dachte ich mir und natürlich hatte ich den Berg
Fuji auf Fotos gesehen, wo er sehr schön aussah. Aber als ich ihn dann
wirklich sah, war es unvergleichlich, jedes Mal.
Nach der Ankunft fing ich gleich mit der Arbeit an. Ich wollte
einen Holzschnitt vom Blick auf den Berg Fuji über den See machen. Die
Residence, ein großes Haus mit vielen Zimmern, liegt am westlichen Ende
der Südseite des Sees. Der Berg Fuji liegt südöstlich. Für
einen Blick auf den Berg hinter dem See ging ich auf die Nordseite des Sees.
Es war ein sonniger Tag. Immer wieder sah ich auf meinem Weg
um den See den Berg hinter Bäumen oder Häusern aufragen. Ich kam am
Kunst-Museum von Kawaguchiko vorbei, ging hinein und blätterte in einem
Katalog von Holzschnitten mit dem Berg Fuji. Es waren alles sehr gute Arbeiten
und ich fragte mich, ob es wirklich notwendig sei, dazu noch etwas hinzuzufügen.
Als ich weiterging zur anderen Seite des Sees, kam ich an eine schöne Stelle
mit Blick auf den Berg und setzte mich unter einen Kirschbaum. Das Wasser des
Sees glitzerte, die Äste über mir bewegten sich im Wind, vor den Berg
schob sich langsam eine Wolke. Ich machte eine Zeichnung. Später bezog
sich der Himmel.
Ich fing an, die Platten zu schneiden.
Das Haus war nah am See. Ich ging jeden Tag am Ufer spazieren.
Jeden Tag war der See anders.
Dort wächst auch das Suzuki-Gras, häufiges Motiv der
japanischen Poesie.
Ich wollte auch einen Holzschnitt vom See und
dem Suzuki-Gras machen. Beim Auskundschaften der Westseite des Sees hatte
ich eine schöne Stelle gefunden. Ich ging an einem Abend hin, um eine weitere
Zeichnung zu machen. Während ich zeichnete, ging die Sonne unter.
In den folgenden Tagen schnitt ich die insgesamt neun Platten.
Dies sind die Platten (in gedrucktem Zustand):
Ich machte Probedrucke und begann mir darüber Gedanken
zu machen.
Dann regnete es eine ganze Nacht. Als ich morgens die Schiebetüren
meines Fensters aufschob, sah ich, dass Schnee auf dem Berg Fuji lag. Später
ging ich um den See zu der Stelle, wo ich meinen Holzschnitt entworfen hatte,
um zu sehen, ob es gut wäre, den Schnee aus der Platte auszuschneiden.
Aber ich entschied mich dagegen.
Teil des Programms war ein Kurs im Montieren von Papieren, ura-uchi,
und dem Bau von Stellschirmen, byobu. Ura-uchi hat große
Bedeutung im weiten Bereich des Umgangs mit Papier. Papierarbeiten werden zur
Stärkung auf weitere Papiere geleimt. Sie werden auf Rollen oder Stellschirmen
befestigt, oder zu Büchern verarbeitet. Der Kurs sollte einen breiten Blick
auf die Welt des japanischen Holzschnitts, welcher Teil eines großen organischen
Ganzen ist, vermitteln.
Unser Lehrer war Herr Yasuhara aus Tokyo, Spezialist für
traditionalle japanische Malerei sowie Herstellung von Stellschirmen und Hängerollen.
Zur praktischen Erfahrung bauten wir mit seiner Hilfe einen einfachen Stellschirm.
Dazu lernten wir die Herstellung von Leim, das Reißen, Schneiden und Aufleimen
von Papier und das Verbinden der Teile eines Stellschirms mit traditionellen
Papier-Scharnieren.
Handhaltung von Leimpinsel und Papiermesser
Papier schneiden
Alleine ein Papier zum Aufleimen positionieren (Herr Yasuhara und die Direktorin
des Programms, Frau Kadota)
Aufgeleimte Papierscharniere
Ich erfuhr viel Neues.
Fertig zum Gebrauch: Papier-Abrisse werden mit einem zur Schnur gebundenen Abriss
gebunden und aufgehängt.
Transportable sichere Unterlage für Papierarbeiten: um einen Stock gewickeltes
Papier
Wellige Papiere glätten: die Papierarbeit wird angefeuchtet und ans Fenster
gebürstet, mit Papierstreifen zum Abziehen.
In der letzten Woche druckte ich Auflagen meiner zwei Holzschnitte.
"Der Berg Fuji", eine Variation zum Thema der Dreiecks-Form
des Bergs
Holzschnitt, 30 x 45 cm
"Der See von Kawaguchiko", eine Komposition zur Form
des Suzuki-Gras mit dem Element des langen Geraden und des kleinen Gebeugten
Holzschnitt, 30 x 45 cm
Die letzte Woche brach an. Mitte der Woche würde der Lehrer
kommen, mit dessen Hilfe wir dann unsere fertigen Holzschnitte auf die Stellschirme
kleben sollten. Ich wollte versuchen, für die Rückseite des Stellschirms
noch zwei Holzschnitte zu schneiden und zu drucken. Ich ging zum See und zeichnete
in einem Feld mit Suzuki-Gras. Die Gräser bewegten sich langsam, auf den
Bergen lag Nebel.
Ich schaffte es nur, einen Holzschnitt fertigzustellen.
Die unvollständige Rückseite
Es wurde Herbst.
Ich musste mich verabschieden.
Ich kann jetzt nicht mehr am See spazierengehen, aber Berg und
See immerhin vom Sofa aus sehen.
Ich möchte mich herzlich bedanken bei
MI-LAB, Frau Kadota,
den Lehrern Herrn Sekioka und Herrn Yasuhara sowie all den anderen, die zu diesem
Programm beigetragen haben.
Berlin, Januar 2013
|